Patellaluxation – Verrenkung der Kniescheibe.
Eine folgenschwere, schmerzhafte und primär bei jungen, sportlich aktiven Patient_innen auftretende Verletzung ist die Patellaluxation, oder Verrenkung der Kniescheibe genannt. Dieses Verletzungsbild zeichnet sich im Allgemeinen insofern ab, als dass die Kniescheibe nach außen aus ihrer Führung springt. Dabei vollzieht sie in den meisten Fällen eine selbstständige Reposition.
Allerdings ist auch bei der Selbstreposition zu klären, ob es dabei zu Bandschäden oder Knochenschäden gekommen ist. Es ist anzunehmen, dass die Ursache einer Patellaluxation in einer angeborenen Fehlbildung des der Kniescheibe gegenüberliegenden Gleitlagers (Trochlea) liegt. Dies bietet bei krankhaft flacher Ausprägung der nach außen springenden Patella kein ausreichendes Widerlager. Ein weiterer Begünstigungsgrund hierfür ist zudem noch ein zu ausgeprägt nach außen hin orientierter Zug der Kniescheibensehne, die die Kniescheibe mit dem Unterschenkel verbindet.
Dieses Verletzungsschema präsentiert sich folgendermaßen: Der gelenkseitige Teil der Kniescheibe schert an der Außenseite des Oberschenkelknochens entlang. Daraus resultieren in weiterer Folge Knorpel- bzw. Knorpel-Knochenverletzungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche. In letzterem Fall kann dies sogar in kompletten Abscherungen großer Stücke münden. Da dem Knorpel in ebenjenem Bereich jedoch eine durchaus wichtige stoßdämpfende Funktion inhärent ist, muss dieser nach Möglichkeit erhalten bzw. bestmöglich repariert werden. Darüber hinaus reißt bei einer Patellaluxation häufig das mediale patellofemorale Ligament (MPFL). Hierbei handelt es sich um ein sehr bedeutsames Band, das die Kniescheibe vor dem Herausspringen bewahrt.
Dem gegenüber gibt es auch chronische Zustände, die zu einer Verrenkung der Kniescheibe führen bzw. diese begünstigen. In diese Kategorie fällt im Speziellen das X-Bein. Ebenjene Fehlstellung wirkt sich negativ auf den Winkel zwischen der in den Oberschenkel hinein verlaufenden Quadrizepssehne und der Patellasehne aus. Resümierend wird somit der Lauf der Kniescheibe im Kniegelenk bei starker Belastung beeinträchtigt.
01 Symptome.
Die Symptome bzw. Folgen der Patellaluxation gestalten sich grundsätzlich wie nachfolgend beschrieben:
- Bandapparat der Kniescheibe zerreißt (mediales Retinaculum)
- Aus der Bandschädigung resultierende Instabilität der Patella
- Retropatellare (hinter der Patella liegende) Knochen und Knorpelschäden
- Kniegelenkerguss (Flüssigkeitsansammlung, Schwellung)
- Druckschmerzhaftigkeit
- Plötzliches Nachgeben des Kniegelenks bei Belastung
- Starke Verformung des Knies, wenn die Luxation fortbesteht
- Je nach Stärke des Ereignisses Absplitterung und Knochenknorpelschäden möglich
02 Behandlungsmöglichkeiten.
02 Behandlungs-möglichkeiten.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung sind vor allem eine ausführliche Anamneseerhebung sowie eine genaue körperliche Untersuchung. Röntgenaufnahmen des Kniegelenks geben Hinweise auf mögliche anlagebedingte Ursachen für die Luxation und auf entstandene knöcherne Verletzungen. Insbesondere dienen Zielaufnahmen der Patella in zunehmender Beugung (Patella-Defilée) zur Abschätzung der Lateralisation der Kniescheibe. Bereits hier können erste Abschätzungen hinsichtlich einer Chondropathie, also des vermuteten Knorpel-Schadens, gestellt werden. Bei zweifelhaften klinischen Befunden kann eine Untersuchung unter Narkose oder eine diagnostische Arthroskopie Aufschluss geben. Bei der Arthroskopie können dann auch gleich herausgebrochene Fragmente von Knochen oder Knorpel entfernt oder Knorpelschäden behoben werden.
Die Abrundung der Diagnostik bildet die MRT-Untersuchung. Diese dient der genaueren Beurteilung des Kniescheibenknorpels bzw. dessen Schadens sowie der Weichteile des Kniegelenks. Gegebenenfalls erfolgt eine Ergänzung dazu in Form funktioneller elektromyographischer Untersuchungen der Beinmuskulatur. Das Ziel jeder Therapie liegt jedenfalls darin, die Kniescheibe dauerhaft im Gleitlager zu zentrieren, da mit jeder weiteren Verrenkung der Kniescheibe der Gelenkknorpel eine zunehmende Schädigung erfährt.
Konservative Therapie
Bei erstmaliger Patellaluxation ohne weitere Risikofaktoren steht die nicht-operative Behandlung mit begleitenden physikalischen Maßnahmen im Vordergrund. Das Vorliegen von Risikofaktoren für eine erneute Luxation sowie Mehrfach-Luxationen machen allerdings eine operative Therapie notwendig. Bei der Abscherung eines Knorpel-Knochen-Fragments (osteochondrales Flake) sollte eine Refixierung des Fragments an oberster Stelle stehen. Ist dies nicht möglich, erfolgt eine Entfernung des Fragments zur Verhinderung von weiteren Knorpelschäden.
Bei einer isolierten Ruptur des knieinneren Kapsel-Bandapparates der Kniescheibe ohne weitere Risikofaktoren besteht die Indikation zu Naht und Raffung (mediale Dopplung) des betroffenen Gewebes.
Operative Therapie
Ohne Vorliegen einer wesentlichen knöchernen Fehlform oder fehlgestellten Beinachse kann durch die Rekonstruktion der inneren Haltebänder, dem sog. Medialen Patellofemoralen Ligament (MPFL), eine ausgezeichnete Stabilität der Patella erreicht werden. In einigen Fällen reicht sogar nur eine dosierte Raffung der medialen Strukturen durch eine OP nach Insall.
Ein weiterer Vorteil dieser Operationsmethoden liegt in der Druckreduktion im Bereich des äußeren Patellaknorpels. Eine Chondropathie mit Entwicklung eines tieferen Knorpellschadens, insbesondere im äußeren Anteil der Kniescheibe, wird dabei reduziert. Liegt der Ansatz der Kniescheibensehne (Tuberositas Tibiae) zu weit außen, was eine Luxation nach außen provozieren kann, so kommt sowohl ein knöcherner als auch ein weichteiliger Versatz der Kniescheibensehne in Betracht (Medialisierung der Tuberositas tibiae, OP nach Blauth). Für die exakte Therapie sind klinische (Q-Winkel) und radiologische Parameter (TTTG-Abstand) zu bestimmen. Durch eine Medialisierung der Tuberositas tibiae (OP nach Blauth) kann diese Fehlform korrigiert werden. Bei ausgeprägten Fehlstellungen der Beinachse (Genu valgum, X-Bein) ist unter Umständen eine knöcherne Korrektur der Beinachse notwendig.
03 Nachbehandlung.
Die Nachbehandlung ist abhängig von der entsprechenden Operationsmethode. Neben einer anfänglichen Entlastung (Gehen an Unterarmgehstöcken für ca. drei Wochen) und Schutz durch eine spezielle Schiene (für ca. sechs Wochen) ist wichtig, dass die Muskulatur des Oberschenkels optimal physiotherapeutisch nachbehandelt wird. Hierbei muss ein besonderes Augenmerk auf das Training der inneren vorderen Oberschenkelmuskulatur gelegt werden. Hierdurch kann der Kniescheibenverlauf ebenfalls günstig beeinflusst werden.